12.05.2020 / Agenda Josefstadt

Hausverwaltungen bei Begrünung rechtzeitig einbinden

Die ersten beiden Blogartikel stellen Informationen für WohnungseigentümerInnen und HauseigentümerInnen bereit und sprechen damit immer die MieterInnen, als aktiver Teil bei Begrünungsprojekten, direkt an.

 

Dieser dritte Blogartikel holt nun die Hausverwaltungen an Bord, welche die Umsetzung von Bauwerksbegrünungen erfolgreich bewerkstelligen können, aber partnerschaftliche Unterstützung und Kooperation aller Beteiligten benötigen! Für die rechtssichere Benützung der Wohnhausanlage, also auch für die Bauwerksbegrünung, haftet der/die VerwalterIn zivil- und strafrechtlich.

 

Die Hausverwaltung wird in der Umsetzung die entscheidende Rolle spielen, da diese per Vollmacht zur rechtlichen Vertretung der EigentümerIn, der Miteigentümergemeinschaft oder der (Wohnungs)eigentümergemeinschaft bevollmächtigt und beauftragt ist.

 

Tipp: Bauwerksbegrünungen können nicht nur für die EigentümerInnen, sondern auch für Hausverwaltungen Neuland sein – aber gemeinsam und im guten Einvernehmen lassen sich eventuelle Hürden gut bewältigen.

 

 

Die Begrünung des Innenhofes und der Feuermauer

Ein guter Vorschlag der Hausverwaltung zur gemeinsamen Diskussion in der Hausversammlung! Die kahlen Wände der Innenhöfe laden zur Begrünung ein – optische Verbesserung, Reduktion der thermische Abstrahlung und Blendwirkung … und die Möglichkeit sich mit Bank, Tisch und Sessel einen „netten Platz im Freien“ zu gestalten und die Kommunikation im Haus zu verbessern.

 

Die technische Ausführung einer Gebäudebegrünung an der Feuermauer bestimmt die notwendigen wohnrechtlichen Schritte:

Wird eine Konstruktion selbststehend vor die Feuermauer auf Eigengrund gestellt ohne diese konstruktiv mir der Nachbarwand zu verbinden oder diese zu bepflanzen, sind die NachbarInnen nicht einzubinden. Das ändert sich jedoch mit dem ersten Haken, der ersten Schraube und der Nutzung der Nachbarwand als Rankhilfe.

Nunmehr können entsprechend der technischen Eingriffe Vereinbarungen mit NachbarInnen über die Inanspruchnahme der Feuermauer erforderlich werden.

 

Tipp: Eine wiederkehrende technische Begutachtung der Bauwerksbegrünung ist in der gesetzlich verpflichteten ÖNORM B 1300 Begehung vorzusehen.

 

 

Wohnrechtliche Grundsätze

 

Gebäude können sich im „schlichten Miteigentum“ oder im „Wohnungseigentum“ befinden.

A) Schlichtes Miteigentum:

Für das schlichte Miteigentum spricht der § 833 ABGB davon, dass jede Maßnahme, die nicht zur "ordentlichen Verwaltung" gehört, einer Einstimmigkeit bedarf.

Die "außerordentliche Verwaltung" mit Einstimmigkeitserfordernis im schlichten Miteigentum wird aber von der Judikatur begrenzt: Nur im Fall von „außergewöhnlichen Geschäften, schwerwiegenden faktischen Eingriffen in die Sachsubstanz, gravierenden Änderungen der wirtschaftlichen Zweckbestimmung und Geschäften, die gegen bekannte Interessen der Minderheitseigentümer verstoßen“, wäre Einstimmigkeit erforderlich (siehe Artikel im RechtsBlatt vom 20.2.2014).

 

Eine jederzeit entfernbare Fassadenbegrünung zählt nicht dazu, daher kann hier ein Mehrheitsbeschluss als ausreichend gewertet werden.

Ohne Frist besteht die Möglichkeit, im Streitfall den Außerstreitrichter anzurufen, wenn eine überstimmte Minderheit mit einer beschlossenen "wichtigen Veränderung" (§ 834, 835 ABGB) nicht einverstanden ist. Als "wichtige Veränderung" hat die Judikatur bisher z.B. Dachbodenausbauten oder überhaupt Umbauten gemeinsamer Häuser angesehen, aber nicht ‚kleinere‘ Sachen.

 

B) Wohnungseigentum:

Im Wohnungseigentum gibt es zwei Arten von Handlungen, die Einstimmigkeit erforderlich machen:

** Verfügungshandlungen, wie z.B. Einräumung von Servituten an der eigenen Liegenschaft, Abtretung von Teilen der Grundfläche, Verkauf einer leerstehenden Hausbesorgerwohnung: hier ist Einstimmigkeit notwendig, diese ist jedoch nicht durch einen Gerichtsbeschluss ersetzbar

** Verwaltungshandlungen, die Verschiebungen der Nutzwerte zur Folge haben, wie z.B. Abbruch von Mauern oder Durchbrüche durch Mauern, Umbau von Flachdächern zu allgemein benutzbaren Terrassen, Lifteinbau, Anbau von Balkonen: hier ist Einstimmigkeit notwendig, ist aber durch einen Gerichtsbeschluss ersetzbar

Bei der Errichtung einer Fassadenbegrünung handelt es sich um eine Verwaltungshandlung, bei der sich aber keine Verschiebungen der Nutzwerte ergeben. Diese kann mit Anteilsmehrheit beschlossen werden.

 

Tipp: zur Reduktion wohnrechtlicher Folgen ist zu berücksichtigen, dass am Gebäude keine dauerhafte Veränderung vorgenommen und keine feste Verbindung mit dem Gebäude geschaffen werden: z.B. die aufgestellten Tröge und Rankhilfen können jederzeit entfernen werden

 

 

Wohnrechtliche Schritte

 

Im Wohnungseigentum wird eine erfolgreiche Bauwerksbegrünung in der Regel folgende Schritte aufweisen:

  • Vorstellen möglicher Varianten einer Bauwerksbegrünung (vorzugsweise in einer Hausversammlung) und Darstellung der Ergebnisse der MiteigentümerInnendiskussion
  • Prüfen der technischen Varianten unter Beachtung der wohnrechtlichen und abrechnungstechnischen Konsequenzen
  • Ermittlung der technischen und preislichen BestbieterInnen
  • Herbeiführen eines wohnrechtlichen Beschlusses inkl. Finanzierung (Hausversammlung und/oder Rundfragebeschluss)
  • Ankündigen der Maßnahmen in der Vorausschau zum 31.12. des Vorjahres (auch wenn der Beschluss erst erfolgt)
  • Herbeiführen des rechtsgültigen Entscheidungsprozesses unter Einhaltung aller Fristen. Wenn ein Beschluss ordnungsgemäß kundgemacht und vor Ablauf einer Frist von einem Monat (aus Formmängeln) bzw. drei Monaten (aus inhaltlichen Gründen) nicht angefochten wurde, dann ist er rechtswirksam und nicht mehr anfechtbar
  • Vorschreiben der Erhöhung der Beträge zur Rücklage gemäß Beschluss
  • die Beauftragung vornehmen
  • Sicherstellung der Bauüberwachnung inkl. Einhaltung des Baukoordinationsgesetzes
  • Die Abnahme mit Haftrücklass vornehmen und die Gewährleistung abwickeln

 

Tipp: für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung sind in der Regel bis zu 6 Monate anzusetzen

 

 

Fragestellungen aus der Praxis

 

Aus Erfahrungen in der Begleitung von WohnbauträgerInnen, Hausverwaltungen, Wohnungseigentümergemeinschaften, Gebietsbetreuungen und Forschungsprojekten einige Fragestellungen und Lösungsansätze:

  • Die Bewirtschaftung durch BewohnerInnen ist meist problematisch (die Pflanzen werden bei den untersten BewohnerInnen nicht gegossen, BewohnerInnen darüber schneiden die Pflanze ab und bis zu den BewohnerInnen im 2.Stock wächst die Pflanze nicht) - daher sollten erforderliche Anlagen und Wartungseinrichtungen auf allgemeinen Teilen der Liegenschaften situiert werden.
  • MRG/WEG sehen keine expliziten Lösungen für Veränderungen am Gebäude vor – Vereinbarungen unter den Beteiligten sind erforderlich
  • Ein Teil der BewohnerInnen einer Liegenschaft wollen bei Maßnahmen nicht mitzahlen, da es sie nicht betrifft (z.B. bei mehrere Stiegen auf einer Liegenschaft oder nur südliche Ausrichtung der Fassadenbegrünung) – ähnlich wie bei der Liftbenutzung mit gesplitteter BK-Abrechnung – die Lösungen reichen von der Bewusstseinsbildung, zu Vereinbarungen bis zum Außerstreitverfahren und den Gerichten
  • technische Anlagenteilung, Begrünung so wählen, dass alle Beteiligten einen Vorteil für sich erkennen können – z.B. "das ganze Gebäude wird weniger aufgeheizt" oder "das ganze Gebäude hat an Wert und Attraktivität gewonnen“, die "Behaglichkeit im Gebäude nimmt zu", "die Kinder können nunmehr sicher innerhalb der Anlage spielen"
  • Kosten der Bauwerksbegrünung als zulässige Verrechnungskosten vereinbaren / Erweiterung des BK-Kataloges gemäß §21 MRG
  • Abweichende Verrechnungs-/Verteilungsschlüssel andenken bzw. abweichende Abstimmungseinheiten bei Notwendigkeit schaffen
  • Maßnahmen der Bauwerksbegrünung in die Verkaufsmappe und in die Bau- und Ausstattungsbeschreibung aufnehmen
  • Manchmal gibt es z.B. Kinderspielplätze, welche rückgebaut werden, da sich die WEGs mangels Kinder dazu entschließen – bei einer Fassadenbegrünung sollte ein Rückbau nicht eintreten. Dazu sollte die Bauwerksbegrünung im Mietvertrag, Nutzungsvertrag und Wohnungseigentumsvertrag als Projektbestandteil explizit genannt werden – eventuell bauphysikalisch ausgewiesen – uns so ein möglicher Rückbau technisch und wohnrechtlich bestmöglich verhindert werden.
  • Die ständige Pflege und Wartung ist entscheidend für den erfolgreichen Betrieb der Bauwerksbegrünung – Automatisation und Wartungsvereinbarungen unterstützen hierbei!

 

Tipp: wichtig ist die gute Zugänglichkeit der Fassadenbegrünung für Wartungs- und Pflegearbeiten (Kostentreiber sind Hubsteiger, Gerüst/Passagengerüst, Fassadenkletterer) - ebenso ist die Benutzung von Eigengärten von BewohnerInnen für Wartungs- und Pflegearbeiten zu vermeiden.

 

Tipp: Die besprochenen Punkte sind gute Beispiele für Fragen, welche in der Projektpräsentation, -ausarbeitung und –umsetzung aktiv angesprochen und einer technischen und wohnrechtlichen Lösung zugeführt werden sollten – tut man dies nicht, kommen die Fragestellungen unausweichlich im laufenden Betrieb und belasten dann den Auftraggeber und die Verwaltung.

 

 

Die Einladung des Autors Mag. Peter Wirth:

Wenn Sie ein spannendes und/oder schwieriges Projekt haben, freue ich mich über eine Zusammenarbeit. Ich unterstütze Sie gerne, damit Ihr Projekt auch wohnrechtlich gelingt! :-)

Autor:

Mag. Peter Wirth, MAS  ist gepr. Immobilientreuhänder, Immobilien – und Unternehmensberater in Wien

Tel: 0043 1 876 31 90 33

peter.wirth@bluesave.at

www.bluesave.at