Gemeinsam am Wohnhaus Begrünung umsetzen!
Wie kooperieren HauseigentümerIn mit MieterInnen bei der Begrünung des Wohnhauses?
Wir leben in vielfältigen Rechtsformen, aus welchen sich unterschiedliche Rechte und Pflichten, aber auch unterschiedliche Finanzierungsvarianten und Freiheitsgrade ergeben. Von den annähernd 4 Mio. Hauptsitzwohnungen in Österreich betrug die Mietquote (inkl. Untermiete) im Jahr 2019 rund 43%. Dieser Beitrag beleuchtet die Möglichkeiten der VermieterInnen und der MieterInnen, Begrünungsideen in die Tat umzusetzen. Die Voraussetzungen im Mietrechtsgesetzes sind jenen im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sehr ähnlich, weshalb hier keine Unterscheidung vorgenommen wird.
Generell gilt: jede Maßnahme im Wohnhaus muss für alle Interessensgruppen Vorteile bringen, sonst kann die Umsetzung schwierig werden.
Es muss also der unübliche Versuch gestartet werden, bei MieterInnen und VermieterInnen jeweils für Verständnis für die Rolle der jeweils anderen VertragspartnerInnen zu werben.
Eine oder mehrere Personen können gemeinsam EigentümerIn einer Liegenschaft sein. Bei Liegenschaften wird oft begrifflich zwischen "schlichtem Miteigentum" und "Wohnungseigentum" unterschieden. Schlichten MiteigentümerInnen halten jeweils einen "ideellen Anteil" an der Liegenschaft, anders gesagt: das Eigentumsrecht wird nach Bruchteilen, zum Beispiel der Hälfte oder einem Zehntel unter den MiteigentümerInnen aufgeteilt. Es gibt also keine Zuteilung von realen Teilen an einzelne MiteigentümerInnen wie im Wohnungseigentum, sondern jeder ist MiteigentümerIn an der Gesamtliegenschaft.
Im schlichten Miteigentum gibt es formalrechtlich meist nur einen oder wenige EntscheidungsträgerInnen über die Gestaltung von Fassaden-, Dach- oder Hofflächen. Das vereinfacht die Umsetzung – zumindest auf VermieterInnenseite.
Das Mietrechtsgesetz hat aber einen großen Nachteil: es ist nicht darauf ausgelegt, auf Änderungen von Nutzung und Bedarf zu reagieren. Im Gegensatz: es zementiert die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses ein.
Ein/e HauseigentümerIn, der/die ein Begrünungsprojekt starten möchte, benötigt fachliche Unterstützung.
Vorteile und Sorgen
Begrünungsprojekte an bestehenden Gebäuden können sich mikroklimatisch sehr positiv gegen sommerliche Überwärmung auswirken, wenn sie richtig geplant, umgesetzt und gewartet werden. Damit steigen die Attraktivität des Gebäudes und somit auch sein Wert.
Andererseits haben EigentümerInnen Sorge, dass die Fassade oder das Dach durch die Begrünung Schaden nehmen könnten. Schließlich liegt in diesem Fall die alleinige finanzielle Verantwortung in der Sphäre der EigentümerInnen, denn Reparaturkosten an der Gebäudesubstanz dürfen nicht an die MieterInnen weiterverrechnet werden.
Tipp: Die richtige Auswahl der Pflanzen und der technischen Systeme verhindert Schäden an der Gebäudesubstanz.
Förderungen?
EigentümerInnen können für Begrünungsmaßnahmen Förderungen beantragen, die aber meist nur die Investitionskosten, nicht aber Pflege- und Folgekosten stützen.
Tipp: Eine Zusammenstellung aller Vorgaben und Förderungen zum Thema „Bauwerksbegrünung“ finden Sie bei GrünStattGrau, ebenso können Sie dort Beratung zu Begrünungsmaßnahmen, Pflege und Pflegeverträgen einholen.
Auch die Agenda Josefstadt hat eine Vielzahl an Informationen auf ihrer Website unter dem Projekt „Begrünung rund um unser Haus“ zusammengetragen
Die rechtlichen Voraussetzungen – ein Beispiel:
Wenn es um die Begrünung von Hofflächen geht, lassen Sie vorab den behördlichen Konsens prüfen. In Wien gibt die Baupolizei (MA 37 für den jeweiligen Bezirk) gerne Auskunft, ob es für die zu begrünenden Flächen auch die entsprechende Widmung gibt. Sind die Hofflächen z.B. als Parkplatz oder Weg gewidmet, dann müsste ein Umwidmungsantrag erfolgen, etwa auf Spielplatz oder Grünfläche, je nach Projektplan. Ein Umwidmungsantrag erfordert wiederum die Unterschrift der EigentümerIn der Liegenschaft.
Den Umwidmungsantrag kann die Hausverwaltung oder ein Ingenieurbüro für Sie einbringen. Das spart Zeit und Nerven bei den Formalien.
Das Mietrechtsgesetz
Zum einen ergibt sich aus dem Mietrechtsgesetz, dass im Mietvertrag das Nutzungsrecht an einer Wohnung, aber auch von Gemeinschaftsflächen geregelt wird. Daher muss der/die EigentümerIn oder ein/e bevollmächtigte/r VertreterIn, in der Regel die Hausverwaltung, die neue Gestaltung, Benutzung und Pflege von Gemeinschaftsflächen schriftlich fixieren. Ansonsten kann es durch die „ungeregelte“ Inanspruchnahme von Flächen zu einer Erweiterung der Mietrechte kommen, die von den EigentümerInenn nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Das ist vielleicht vordergründig für die MieterInnen von Vorteil, kann aber zu massiven Spannungen in der Beziehung MieterIn – VermieterIn führen. Dann ist das Leben zwar grüner als vorher, aber wesentlich ungemütlicher.
Erlauben die VermieterInnen auf Zuruf, dass MieterInnen Grünflächen benützen, gestalten und bewirtschaften dürfen, zum Beispiel durch das Errichten von Hochbeeten, könnte es sein, dass damit ungewollt Mietrechte vergeben werden. Diese sind kaum rückgängig zu machen und können zu einer Verringerung des Liegenschaftswertes führen.
Tipp: Es braucht Zusatzvereinbarungen zum Mietvertrag, damit MieterInnen sich an der Finanzierung der Umsetzung und der späteren Pflege beteiligen können und so gemeinsam mit den VermieterInnen die Umsetzung ermöglichen.
Hier gibt es eine gute Lösung: VermieterInnen und MieterInnen stellen schriftlich klar, von wem die Flächen wie genutzt werden dürfen. In der Praxis wird dies vielfach in Form eines Prekariums, auch genannt Bittleihe, gelöst: die Nutzung erfolgt sodann unentgeltlich und wird auf unbestimmte Zeit gewährt, allerdings gegen jederzeitigen Widerruf. Das hat für die MieterInnen den Vorteil, dass zusätzliche Fläche(n) kostenlos genutzt werden dürfen und VermieterInnen vermeiden die ungewollte Erweiterung der Mietrechte.
Tipp: VermieterInnen und MieterInnen gestalten den Prekariumsvertrag gemeinsam. Wichtig ist, dass dieser Vertrag entweder die Redewendung „Überlassung zur prekaristischen Nutzung“ oder die Stichwörter „Unentgeltlich, auf unbestimmte Zeit und gegen jederzeitigen Widerruf“ enthält. Eine Beteiligung an den Betriebskosten für die prekaristisch genutzte Fläche kann vereinbart werden, nicht jedoch eine Miete, weil ein Prekarium ja unentgeltlich überlassen werden muss. Beide unterschreiben! Dieser einfache Vertrag benötigt weder Anwalt noch Notar.
Bei bestehenden Mietverträgen können weder die Herstellungskosten einer Bauwerksbegrünung noch die laufenden Kosten der Instandhaltung und Pflege an die MieterInnen als NutznießerInnen weiter verrechnet werden. Das Mietrechtsgesetz erlaubt nur die Weiterverrechnung von jenen Betriebskosten, die im Gesetz namentlich erwähnt sind. Da gehört die Pflege von neu hergestellten begrünten Fassaden oder vertikalen MieterInnengärten in der Regel nicht dazu – aber auch hier gilt: der Einzelfall ist zu prüfen!
Tipp: Die technische und (wohn)rechtliche Umsetzung einer Wohnhausbegrünung kann ein zeitraubender Vorgang sein, weil sich die Themen "Technik und Recht" laufend wechselseitig berühren.
DESHALB: binden Sie rechtskundige TechnikerInnen und PraktikerInnen von Anfang an in die Projektausarbeitung ein - damit in Ihrem Projekt auch das Wohnrecht ausreichende Berücksichtigung findet!
Autor:
Mag. Peter Wirth, MAS ist gepr. Immobilientreuhänder, Immobilien – und Unternehmensberater in Wien